10 bemerkenswerte Inszenierungen
Dramatisches Gedicht in fünf Akten
von Gotthold Ephraim Lessing
Salzburger Festspiele
Premiere: 28. Juli 2023
Nathan der Weise © Salzburger Festspiele
Wer darf sich mit welchem Recht an der Debatte über fundamentale Werte beteiligen? Mit starken formalen Setzungen und einem ausgeklügelten Lichtkonzept bringen Ulrich Rasche und sein starkes Ensemble Lessings Klassiker „Nathan der Weise“ auf die Bühne.
„Nathan der Weise“, Gotthold Ephraim Lessings letztes und mit Sicherheit berühmtestes Stück, ist die Geschichte eines Scheiterns. In einer von Ab- und Ausgrenzungen bestimmten Gesellschaft im Kriegszustand, dem Jerusalem des Dritten Kreuzzugs, wird ein reicher jüdischer Kaufmann vor den Sultan gerufen, der dringend seine Kriegskasse auffüllen muss. Um festzustellen, ob Nathan dem muslimischen Kriegsherrn „freiwillig“ Geld zu leihen bereit ist oder ob man ihm sein „Gut und Blut“ mit Gewalt nehmen muss, legt ihm der Herrscher die Frage vor, welche der drei monotheistischen Religionen die „wahre“ sei. Nathan antwortet mit der berühmten Parabel von den drei Ringen, mit denen ein unschlüssiger Vater seine drei Söhne unabhängig voneinander als den ihm liebsten auszeichnet. Die Pointe des „Märchens“ besteht darin, dass wohl keiner der drei Ringe der echte, „wahre“ ist.
Regisseur Ulrich Rasche und sein toll besetztes Ensemble, im Zentrum Valery Tscheplanowa als Nathan, bringen „Nathan der Weise“ auf einer sich ständig in Bewegung befindenden Drehbühne zur Aufführung und betonen dabei scharfsinnig den gesellschaftlichen Druck, der auf Nathan lastet.
Das Licht der Aufklärung strahlt in Ulrich Rasches Inszenierung von Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ so hell und gleißend, dass niemand sagen kann, ob es die Menschen in eine bessere Zukunft führt oder einfach nur blendet. Die kurzen, eingestreuten Fremdtexte von Johann Gottlieb Fichte und Voltaire deuten Letzteres an. In ihnen offenbart sich die verblendete Seite der Aufklärung, unter deren Denkern sich auch hemmungslose Antisemiten befanden. Antisemiten, gegen die Lessing auf eher pessimistische Weise Stellung bezogen hat. Eben dieser Pessimismus erfüllt Rasches Inszenierung und Valery Tscheplanowas so gedankenscharfe wie bewegende Darstellung des Nathan. Zusammen mit dem Lichtkünstler Alon Cohen erschafft Rasche Grenzen aus Licht. Diese Lichtwände ermöglichen wundervolle Auftritte, trennen die Figuren aber auch immer wieder und unterstreichen Rasches Idee von den Grenzen der Aufklärung, von denen schon Lessings verqueres Happy End zeugt, das ausgerechnet Nathan aus der Familie ausschließt.
ZumVideostatement von Jurorin Valeria Heintges über „Nathan der Weise“
Programmheft (PDF, 2,1 MB)
Ulrich Rasche – Regie und Bühne
Nico van Wersch – Komposition
Sara Schwartz – Kostüme
Toni Jessen – Chorleitung
Alon Cohen – Licht
Raimund Hornich – Sounddesign
Sebastian Huber – Dramaturgie
David Moser – Mitarbeit Regie
Manuel La Casta – Mitarbeit Bühne
Antigone Akgün – Mitarbeit Dramaturgie
Valery Tscheplanowa – Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem
Julia Windischbauer – Recha, dessen angenommene Tochter
Nicola Mastroberardino – Sultan Saladin
Almut Zilcher – Sittah, dessen Schwester
Mehmet Ateşçi – Ein junger Tempelherr
Aleksandra Ćorović, Toni Jessen, Sören Kneidl, Marcel Kohler, Philipp Lehfeldt, Jürgen Lehmann, Linn Reusse, Yannik Stöbener, Alida Stricker – Daja, eine Christin / Ein Klosterbruder / Der Patriarch von Jerusalem / Chor
Carsten Brocker – Keyboard
Katelyn King, Špela Mastnak – Schlagzeug
Carsten Hein, Thomsen Merkel – Bass, Moog
Mit freundlicher Unterstützung des Österreichischen Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.