Konzert

Florent Boffard

Paolo Monti, Serie Fotografica (Paris 1960), Foto: Civico Archivio Fotografico Milano, Fondo Paolo Monti

Paolo Monti, Serie Fotografica (Paris 1960) Foto: Civico Archivio Fotografico Milano, Fondo Paolo Monti

Elf Jahre lang war Florent Boffard einer der Klaviersolisten des Ensemble intercontemporain. Neue und neueste Musik ist dem Künstler, der als Zwölfjähriger in die Klavierklasse von Yvonne Loriod aufgenommen wurde, seit seiner Jugend vertraut. In Konzerten und Einspielungen bringt er sie in immer neue Konstellation zu tradierten Werken, um einerseits den lebendigen geschichtlichen Resonanzboden aktuellen Komponierens, andererseits aktuelle, vielleicht sogar unerhörte Aspekte in überlieferten Kompositionen zum Vorschein zu bringen.

Seine Solo-Matinee ist der Idee der Virtuosität gewidmet, bei der vollendete Technik zum Mittel intensiven Ausdrucks, fordernder Kommunikation und visionärer Suggestion wird. Virtuos in diesem Sinne arbeiten Komponisten und Interpreten. Im Zentrum stehen George Benjamins „Shadowlines“, sechs Klavierstücke, die zusammen einen großen Bogen bilden. Technisch sind sie als strenge Kanons mit Eskalation auf das vierte und das fünfte, längste Stück hin komponiert. In der Wirkung durchmessen sie einen Horizont der Charaktere; die subtile Technik dient ihrer Verdeutlichung. Den Titel darf man doppelt verstehen: als Beschreibung des Kanons, bei dem eine Stimme immer das genaue, leicht verrückte Schattenbild einer anderen ist; aber auch als Schattenwurf der Geschichte, der grandiosen Kanonkompositionen von Josquin des Préz über Johann Sebastian Bach bis zu Anton Webern.

Den historischen Perspektiven geht Boffard jedoch nicht von der kompositionstechnischen Seite her nach, sondern vom Zusammenspiel pianistischer Brillanz und Intensität bei der Erschaffung musikalischer Charaktere. Scarlattis „Anreißer“ durchsetzen seine geläufige Sonaten mit dissonantem Clusterspiel wie von spanischen Gitarren, Kurtág nahm die Miniaturen seiner Jatékok‹(Spiele) oft als Kerne zu größeren Kompositionen, hier sind sie in Konstellation zu anderen Werken versetzt; Debussys „Images“ sind Meisterstücke pianistischer Suggestion ebenso wie die Stücke von Chopin und Messiaen in diesem Programm. Alexander Skrjabin begleitete seine Fis-Dur-Sonate mit einem Gedicht über den (Seelen-)Flug ins kosmische Lichtmeer.

Domenico Scarlatti [1685–1757]
Sonate a-Moll K. 175 [1751]

György Kurtág [*1926]
Játékok (Spiele) (Auswahl) [1976–2017]

György Kurtág
Szálkák (Splitter) op. 6d [1978]

Alexander Skrjabin [1871/72–1915]
Sonate Nr. 4 op. 30 [1903]

George Benjamin [*1960]
Shadowlines [2001]

Frédéric Chopin [1810–1849]
Berçeuse Des-Dur op. 57 [1843/44]

Claude Debussy [1862–1918]
Images: Livre 1 [1900–1907]

Olivier Messiaen [1908–1992]
Courlis cendré
Aus: Catalogue d’oiseaux Nr. 13 [1956–1958]

Frédéric Chopin
Barcarolle Fis-Dur op. 60 [1845/46]

Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin in Kooperation mit der Stiftung Berliner Philharmoniker