Inszenierung | 10 bemerkenswerte Inszenierungen
von Peter Handke
Burgtheater, Wien
Uraufführung 8. Dezember 2022
Trailer © Burgtheater (Wien)
Ein Nachdenken über Großväter, den eigenen Standpunkt in der Welt und das Spiel ist Peter Handkes assoziativer Text, den Rieke Süßkow in ihrer Inszenierung stilsicher in ein Pflegeheim versetzt. Hier trifft eine ältere auf eine jüngere Generation und es stellen sich Fragen nach Verantwortung, Freiheit und Gewalt.
Ein Morgen in einem Pflegeheim: Senior*innen bereiten sich auf den Tag vor, junge Pflegerinnen versorgen sie. Abgestellt, nutzlos und dem knallharten Pflegepersonal unterworfen, räsonieren die Alten über Großväter und das Großvatertum an sich. Es geht um das Altern, um das Sterben, die Angst vor dem Verschwinden, den Verlust der eigenen Position in einer Welt, aus der es nur noch zwei Auswege gibt: Rückzug in die Erinnerung oder Tod. Es geht aber auch um das Spiel – mit den Enkel*innen, mit den Wahrheit(en), mit anderen Menschen. Was macht eine Erzählung aus, wie durchleuchtet man die eigene Geschichte und was trägt man von seinen Ahnen mit sich?
Die Regisseurin Rieke Süßkow findet in ihrer bestechend formsicheren Inszenierung eine klare Verortung für Peter Handkes 2022 erschienenen assoziativen Text, der ohne Schauplatz, Figuren und Handlungsstrang auskommt. Bühnenbild, Kostüme, Musik und Choreografie greifen stimmig ineinander, während die Schauspieler*innen Handkes kunstvolle Sprache und die im Text angelegte Notwendigkeit des Erzählens virtuos zum Klingen bringen.
Statement der Jury
Peter Handkes „Zwiegespräch“ verzichtet weitestgehend auf Handlung und Figuren, umkreist vielmehr das Phänomen des Erzählens selbst. Regisseurin Rieke Süßkow bricht die Sprechakte auf, verteilt den Text einerseits auf die Burgtheater-Granden Hans Dieter Knebel, Branko Samarovski und Martin Schwab, die hier als bedauernswerte Bewohner eines Altenheims auftreten. Andererseits kommen die Nachwuchskräfte Maresi Riegner und Elisa Plüss als gnadenlose Pflegerinnen zum Zug. Zwei Generationen stehen einander gegenüber, das Machtgefälle zwischen Heimbewohner*innen und Pflegedienst ist anschaulich definiert: Mögen die alten weißen Männer plappern, so viel sie wollen – zu sagen haben sie rein gar nichts (mehr).
Der Generationenkonflikt ist in Handkes Vorlage zwar so nicht angelegt, macht aber szenisch viel her: Die Regisseurin legt mit dem albtraumhaften Seniorenheim und der herzlosen Routine im Umgang mit dem Sterben eine starke visuelle und narrative Setzung neben, unter und über die Textvorlage, ohne diese dabei zu beschädigen. Süßkow schärft an, spitzt zu. Ihr gelingt am Akademietheater mit „Zwiegespräch“ ein schaurig-schöner Totentanz.
ZumVideostatement von Jurorin Valeria Heintges in der Berliner Festspiele Mediathek
Programmheft (PDF, 1,7 MB)
Rieke Süßkow – Regie
Mirjam Stängl – Bühne
Marlen Duken – Kostüme
Max Windisch-Spoerk – Musik
Daniela Mühlbauer – Choreografie
Marcus Loran – Licht
Sandra Küpper – Dramaturgie
Mit
Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Maresi Riegner, Branko Samarovski, Martin Schwab
sowie
Sara Abci, Nicolas Altmann, Katharina Franzel, Kolja Gerstmann, Hannah Lou Harrison, Katharina Hochreiter, Karla Howorka, Marko Jovanovic, Wilfried Kovarnik, Edmund Lobinger, Hannah Pichler, Maximilian Schwertführer, Heidelinde Sedlecky, Sara Siedlecka, Felix von Gässsler, Julia Carina Wachsmann, Brigitte Weinberger
und
Adam Hadj Mabrouk, Thomas Kern, Levi Powell
Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag Berlin