Inszenierung / Aufzeichnung | 10er Auswahl

Scores That Shaped Our Friendship

Ein Projekt von und mit Lucy Wilke und Paweł Duduś mit Musik von Kim Twiddle

Uraufführung 13. Februar 2020 (schwere reiter, München)

Lucy Wilke und Pawel Dudus in der Inszenierung „SCORES THAT SHAPED OUR FRIENDSHIP“.

SCORES THAT SHAPED OUR FRIENDSHIP. Lucy Wilke, Paweł Duduś © Martina Marini-Misterioso

Das Performer*innen-Duo Lucy Wilke und Paweł Duduś fragt in einem zärtlichen, humorvollen Tanz danach, was der eigene und der andere Körper ist, wie wir ihn sehen, hören und fühlen.

Nachgespräch und Künstler*innen-Ehrung
am 24. Mai 2021 um 20:05 Uhr

Die Schauspielerin und Sängerin Lucy Wilke wurde mit spinaler Muskelatrophie geboren. In einem anderen Zusammenhang gäbe es keinen Grund, das zu erwähnen, doch für die Münchner Produktion „SCORES THAT SHAPED OUR FRIENDSHIP“ bildet es den inhaltlichen Ausgangspunkt. Wilke hat gemeinsam mit dem Tänzer Paweł Duduś das intime, utopisch anmutende Porträt einer grenzensprengenden Freundschaft entwickelt. In sieben kurzen Kapiteln und zu live interpretierter und gemischter Musik der E-Komponistin Kim Twiddle erkunden die beiden durch symbiotische Bewegungen, zugewandtes Sprechen und synästhetische Choreografien ihre Körper und ihre Träume. Dabei überwinden sie spielerisch und ohne moralischen Überlegenheitsgestus gesellschaftliche Normen und Unsicherheiten gegenüber Menschen, die anders zu sein scheinen als die Mehrheit.

Theatertreffen-Juror Georg Kasch zur Inszenierung
Was bedeutet es, sich auf eine Person einzulassen, die vollkommen andere Voraussetzungen mitbringt als man selbst? In „SCORES THAT SHAPED OUR FRIENDSHIP“ vermessen und feiern Lucy Wilke und Paweł Duduś ihre Freundschaft als zärtlichen Pas de deux der Berührungen.

In einer Matratzenlandschaft begegnen sie sich mit neugierig tastenden Gesten und wertfreien Beschreibungen und loten von dort aus ein Spannungsfeld von Widersprüchen aus. In sieben kurzen Kapiteln entlarven sie gesellschaftliche Norm-Konstruktionen und arbeiten zugleich an ihrer eigenen körperlichen Entgrenzung zu Kim Ramona Ranalters Soundtrack zwischen Meditation und Club.

Die Auseinandersetzung mit Zuschreibungen spielt eine große Rolle in dieser Arbeit. Wilke wurde mit spinaler Muskelatrophie geboren, ihr Körper wird oft als Behinderung gelesen. Duduś ist ein queerer Tänzer, dessen schillernder Nagellack bröckelt. Gemeinsam setzen sie sich den öffentlichen Blicken aus und diesem Publikums-Voyeurismus eine unbedingte Intimität entgegen. Spielerisch greifen sie vermeintliche Gegensätze normierter Blicke auf, die sie trennen könnten: Mann/Frau, Verfolger/Opfer, aktiv/passiv. Abhängigkeits- und Opfer-Narrativen begegnen sie, indem sie zu einem Wesen verschmelzen, einander Impulse geben, achtsam die Möglichkeiten immer neuer Bilder ausprobieren. Wenn es plötzlich erotisch knistert zwischen ihnen, verschwimmen auch wohlmeinende Label wie queer oder inklusiv.

Dennoch leugnet in dieser Arbeit niemand, dass außerhalb der schützenden Theaterwände andere Verhältnisse regieren. Einmal erzählt Wilke von der Standard-Zurückweisung auf Tinder: „Du hast ein so hübsches Gesicht, aber …“ Gemeinsam verfremden Wilke und Duduś Wilkes Züge zur Alptraummaske – nicht als Akt der Selbstzerstörung, sondern der Selbstermächtigung.

Am Ende dieses befreienden Spiels formulieren Wilke und Duduś eine Utopie der Fiktion: Freiheit ist nicht zuletzt eine Frage der Fantasie. So erweist sich dieser Abend als kompromissloser Kategoriensprenger, der durchaus Irritationen hervorrufen kann.

Künstlerisches Team

Lucy Wilke, Paweł DuduśIdee, Konzept
Lucy Wilke, Paweł Duduś, Kim Ramona RanalterEntwicklung, Performance
Kim Ramona RanalterE-Komposition, Bühnenmusik
Barbara WesternachLicht
Theresa Scheitzenhammer, Alexander WilkeBühne
Tamara Pietsch, David BloomOutside Eye
Kathrin Schäfer KulturPRPR
Rat & Tat KulturbüroKünstlerische Produktionsleitung
Maryna MikhalchukAssistenz

Mit
Lucy Wilke, Paweł Duduś, Kim Ramona Ranalter

Gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München.
Dieses Projekt wird ermöglicht durch den Bayerischen Landesverband für zeitgenössischen Tanz (BLZT) aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, den Bezirk Oberbayern und die Kulturstiftung der Stadtsparkasse München.
Diese Produktion wird unterstützt von Tanztendenz München e.V.